Position des Fachbereichs Nosokomiale Infektionen: „Infektionen vermeiden – bewusst handeln“

Infektionen vermeiden – Bewusst handeln

Jede Patientin und jeder Patient sowie jede Mitarbeiterin und jeder Mitarbeiter in medizinischen Einrichtungen in Deutschland hat ein Recht, vor gefährlichen und im Zweifel lebensbedrohlichen Infektionen geschützt zu werden.

  • Prävention geht vor Behandlung:
    Die breit geführte Diskussion über Therapieoptionen bei Infektionen, beispielsweise den Einsatz von Antibiotika, ist wichtig. Die konsequente Umsetzung von Hygienemaßnahmen und der Einsatz risikominimierender Medizinprodukte und -technologien sind ebenfalls effektive Mittel zur Vermeidung von behandlungsassoziierten Infektionen. Dies führt zu erheblichen Kosten- und Ressourceneinsparungen im Gesundheitswesen bei gleichzeitiger Verbesserung der Versorgungsqualität.

  • Finanzierung und Erstattung von Hygiene- und Infektionsschutzmaßnahmen im ambulanten und stationären Sektor sowie in der Pflege:
    Die konsequente Umsetzung der notwendigen Hygiene bedeutet besseren Patienten- und Personalschutz sowie reduzierte Kosten für das deutsche Gesundheitswesen und bedarf daher einer adäquaten Vergütung. Wir fordern, die tatsächlich entstehenden Kosten für Hygieneprodukte und -prozesse sowie das dafür benötigte Personal vollumfänglich zu erstatten. Die Investition in nachhaltig finanzierten Infektionsschutz zahlt sich für alle Beteiligten aus!

  • Transparenz schafft Problembewusstsein:
    Deshalb brauchen wir aktuelle und aussagekräftige Daten über das Auftreten von behandlungsassoziierten Infektionen in allen medizinischen Einrichtungen aus allen Regionen der Europäischen Union (EU).

  • Klare Zielsetzung, um behandlungsassoziierte Infektionen zu vermeiden: Avoid 1 out of 5!
    Um in den nächsten fünf Jahren zu erreichen, dass 1 von 5 behandlungsassoziierten Infektionen vermieden wird, sind die Anstrengungen aller Beteiligten erforderlich, um verbindliche Hygieneempfehlungen konsequent umzusetzen.

  • Wie ist die derzeitige Situation?

    Eine Pandemie wie COVID-19 macht die Notwendigkeit und den Nutzen konsequenter und adäquater Hygienemaßnahmen besonders deutlich. Das strikte Einhalten von grundsätzlichen Präventionsmaßnahmen schützt vor der Verbreitung von Infektionen und dient damit der Wahrung von Gesundheit und Leben. Mit der jetzigen Sommer-Corona-Welle 2022 nehmen Bewusstsein und Hygiene-Compliance in der Bevölkerung jedoch leider wieder spürbar ab. Nach aktuellen Schätzungen sind aber schon außerhalb von Pandemien jährlich etwa 8,9 Millionen Menschen in der EU von behandlungsassoziierten oder auch nosokomialen Infektionen betroffen. Die häufigsten Formen sind Lungenentzündung, Harnwegs- und Wundinfektionen bis hin zur Sepsis (Blutvergiftung). Allein in Deutschland sterben jedes Jahr bis zu 20.000 Menschen an diesen Infektionen – das sind schätzungsweise sechsmal so viele Tote wie bei Straßenverkehrsunfällen. Zudem ist bereits etwa ein Drittel der Bakterien, die diese Infektionen verursachen, gegen Antibiotika resistent.

    Für die Betroffenen bedeutet dies viel persönliches Leid, ausgelöst durch längere Behandlungszeiten, dauerhafte Komplikationen, Behinderungen oder Todesfälle. Aber auch die Gesundheitssysteme werden unnötig und immens belastet.

    Dabei gilt bis zu einem Drittel der nosokomialen Infektionen als vermeidbar – vor allem durch konsequentes und besseres Einhalten von Hygienemaßnahmen.

    Hintergrund

    Die Gründe für nosokomiale Infektionen sind vielfältig. Eine wesentliche Ursache für nosokomiale Infektionen ist allerdings unzureichende Hygiene. Ein hoher Zeit- und Arbeitsdruck des Personals in medizinischen Einrichtungen fördert dieses Problem.

    Ein weiteres Problem liegt in der Tatsache, dass die Hygiene-Empfehlungen der Expertenkommission KRINKO beim Robert Koch-Institut nicht konsequent und einheitlich zur Anwendung kommen. Diese Empfehlungen werden sehr unterschiedlich kommuniziert, interpretiert und in der Folge umgesetzt. Obwohl im Infektionsschutzgesetz § 23 verankert, werden die hierin festgeschriebenen Maßnahmen deshalb teilweise nur unzureichend umgesetzt.

    Auch der zunehmende Druck auf die Sachkosten im Krankenhaus und die teils nicht gegebene Erstattung von Hygiene- und Infektionsschutzmaßnahmen im ambulanten Sektor könnten Ursachen dafür sein, dass nicht alle erforderlichen „Bausteine“ eines Bündels an präventiven Maßnahmen angewendet werden.

    Vorgeschlagene Maßnahmen

    Wir schlagen zur Etablierung eines patientenorientierten besseren Infektionsschutzes folgende aufeinander aufbauende Maßnahmen vor:
    1. Jährliche Daten von hoher Qualität: Daten zu nosokomialen Infektionen müssen in ihrem Umfang jährlich veröffentlicht werden, um durch Transparenz Aufmerksamkeit auf die Dimension des Problems zu lenken. Um die Anzahl der Infektionen zu senken, brauchen wir eine klare Zielvorgabe mit einem Zeitrahmen, in dem diese erreicht werden soll. Dies gilt auch auf europäischer Ebene. Wir erkennen ausdrücklich die Arbeit des Healthcare-associated Infections Surveillance Network (HAI-Net) des European Centre for Disease Prevention and Control (ECDC) an. Für wirkliche Transparenz reichen diese Daten jedoch noch nicht aus. Das ECDC muss daher mit angemessenen Ressourcen und Kompetenzen ausgestattet werden, um seiner Aufgabe gerecht werden zu können. Nur so können die notwendige Transparenz geschaffen und Aufmerksamkeit auf die Dimension des Problems gelenkt werden.
    2. Umsetzung in Verordnungen: Empfehlungen von Experten, wie die der KRINKO, sollten – wie im Infektionsschutzgesetz intendiert – in den Landeshygieneverordnungen der Bundesländer explizit Berücksichtigung finden. Sie müssen in den medizinischen Einrichtungen vollständig umgesetzt werden.
    3. Ausreichende Ressourcen: Um hohe Hygienestandards und effektiven Infektionsschutz in medizinischen Einrichtungen aufrecht zu erhalten und dauerhaft zu gewährleisten, ist eine ausreichende Versorgung mit entsprechenden Ressourcen unabdingbar. Neben vermehrtem Einsatz gut aus- und regelmäßig weitergebildeten Personals gehören dazu auch spezifische Medizinprodukte und -technologien. Dabei sollten auch die Möglichkeiten der Digitalisierung genutzt und gefördert werden.
    4. Adäquate Erstattung: Angesichts des steigenden Kostendrucks auf die Sachkosten im Krankenhaus und vieler im EBM nicht berücksichtigter Hygiene- und Infektionsschutzmaßnahmen im ambulanten Sektor stehen wir für eine auskömmliche Erstattung dieser Maßnahmen in allen medizinischen Einrichtungen. Die notwendigen Aufwände für Hygienemaßnahmen zur Umsetzung des Infektionsschutzgesetzes im Rahmen von medizinischen sowie pflegerischen Behandlungen in Arztpraxen, Kliniken und Pflegeeinrichtungen müssen konsequent evaluiert und vollumfänglich durch die Gesetzliche Krankenversicherung (GKV), die Bundesländer und die Pflegeversicherung erstattet werden.
    5. Umsetzung von relevanten Punkten aus dem Koalitionsvertrag: Der Koalitionsvertrag der aktuellen Regierung stellt vielversprechende Maßnahmen in Aussicht, die einen Einfluss auf den Infektionsschutz haben. Hierzu gehören: der Nationale Präventionsplan, Umwelt und Nachhaltigkeit, Verbesserung der Situation in der Pflege, Stärkung des Öffentlichen Gesundheitsdienstes, Pandemievorsorge, sowie die Stärkung des RKI. Diese wichtigen Themen müssen nun wirklich und mit Nachdruck angegangen werden.
    6. Avoid 1 out of 5 in den nächsten 5 Jahren: Weil ein großer Anteil nosokomialer Infektionen als vermeidbar gilt, fordern wir ein klares Ziel für die Reduzierung von Infektionen innerhalb eines definierten Zeitrahmens. Mittels jährlich zu veröffentlichenden Daten des HAI-Net kann der erreichte Fortschritt bezüglich einer 20-prozentigen Reduzierung von behandlungsassoziierten Infektionen in der EU über die nächsten 5 Jahre überprüft und nachgewiesen werden.

    Stand: Juli 2022
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      05.08.2022
      FBNI-Positionspapier zu Krankenhausinfektionen: Infektionen vermeiden – Bewusst handeln

      Juli 2022 Download


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